27.08.2014

J. A. Konrath – Der Lebkuchenmann

(«Whiskey Sour», Hyperion, 2004)

Aus dem Amerikanischen von Peter Zmyj

2014, AmazonCrossing, Luxemburg, 370 Seiten


***


Der erste Satz
Als ich bei dem 7-Eleven ankam, parkten dort bereits vier Streifenwagen.

Das Buch
Die Jack-Daniels-Reihe von J. A. Konrath umfasst bereits acht Bände, die letzten beiden sind 2012 («Mr. K», im Original «Shaken») und 2013 («Kite», im Original «Stirred») auf Deutsch erschienen. «Der Lebkuchenmann» ist der erste Roman der Reihe, der jetzt nach-geliefert wurde, der zweite erscheint dieser Tage («Guter Bulle, böser Bulle», im Original «Bloody Mary).
Lieutenant Jack Daniels ist Mordermittlerin bei der Polizei in Chicago, und «heissen Sie wirklich Jack Daniels?» gehört zu den Fragen, die sie am meisten hört.

Als Jacqueline Streng Alan Daniels heiratete, wurde sie Jack Daniels. Seitdem bekam ich das gleichnamige Getränk flaschenweise als Geschenk, und die Leute schienen das auch noch witzig zu finden. Da ich nicht vorhatte, einen Schnapsladen aufzumachen, musste ich wohl ober übel auf den Geschmack kommen und das Zeug selbst trinken.

Im ersten Band, wie auch in den späten, bekommt Jack Daniels es mit einem irren Serienkiller zu tun, der es auch auf sie abgesehen hat. Dazu kommt, dass ihr Freund gerade aus ihrer Wohnung ausgezogen ist und sich mit einem Notizzettel verabschiedet hatte. Also hat sie allen Grund, zum Getränk, dessen Namen sie trägt, zu greifen. J. A. Konrath hat schon in seinem Debüt einen witzigen Ton drauf, ganz nach seinem Credo, «Unterhaltungsliteratur» zu produzieren, «die man im Urlaub am Strand liest und die Humor und Spannung vereint». Das liest dann mitunter etwa so:

«Hallo Robertson.» Ich nickte dem uniformierten Kollegen zu. «Das mit ihrem Vater tut mir leid.»
Er zuckte nur mit den Schultern. «Er war siebzig, und wir haben ihm immer gesagt, dass ihn Fast Food eines Tages umbringen wird.»
«Herzinfarkt?»
«Nein, ein Pizzalieferant hat ihn überfahren.»

Daneben geht es aber knallhart zur Sache, und Konrath versteht es auch, Spannung aufzubauen. «Ich sehe mich nicht so sehr als Schrift-steller, sondern vielmehr als Unterhalter», stapelt Konrath im eigens für die späte deutsche Ausgabe seines Erstlings beige-steuerten Vorwort tief. «Ich setzte mir mit diesem Buch das Ziel, die witzigen Sprüche und den schrägen Humor meiner Lieblingskomödien mit dem furchteinflössenden Nervenkitzel von Thrillern und Horrorromanen zu kombinieren.» Nun, mindestens das ist ihm gelungen. Das Serienkillerschema ist zwar langsam etwas ausgelutscht, aber die Lektüre ist ziemlich vergnüglich.

Der Autor
J. A. (Joseph Andrew) Konrath, *1970 in Stokie, Illinois, hat nach eigenen Angaben auf seiner Webseite 24 Romane und über 100 Kurzgeschichten verfasst. Für seine ersten neun Romane habe er in den zwölf Jahren nach seinem Abschluss am Columbia College in Chicago annähernd 500 Absagen von Verlagen erhalten. Der erste Band der Jack-Daniels-Reihe, «Whiskey Sour» («Der Lebkuchenmann»), war 2004 der erste publizierte Roman. Neben der inzwischen acht Bände umfassenden Jack-Daniels-Serie publiziert Konrath unter dem Pseudonym Jack Kilborn Horrorromane, von denen mehrere auch auf Deutsch erschienen sind. Die Gesamtauflage seiner Bücher liegt inzwischen bei mehreren Millionen; er hat via Amazon auch über eine Million eBooks verkauft.

Der letzte Satz

«Ich hasse den Laden jetzt schon.»



14.08.2014

Jim Nisbet – Die Krake auf meinem Kopf

(«The Octopus On My Head», Dennis McMillan Publications, 2007)

Aus dem Amerikanischen von Ango Laina und Angelika Müller

2014, Pulp Master, Berlin, 320 Seiten

****


Der erste Satz
Ivy Pruitt wohnte in einer kleinen Bude über einer Garage in Oakland, ein Stockwerk hoch, einfach über eine Aussentreppe an der Rückseite des Hauses.

Das Buch
Junkies, die französische Gedichte rezitieren und angesichts des aus dem Kamin des nahen Krematoriums aufsteigenden Rauchs über die Endlichkeit des Lebens philosophieren. Ein begnadeter Jazzdrummer, der statt noch Musik zu machen nach dem nächsten Drogenrausch giert und sich dafür für ein Musikhaus als Geld-eintreiber verdingt. Ein völlig durch-geknallter Serienmörder, der eine abgedrehte Art von russischem Roulett spielt. Ein arabischer Kneipenwirt in San Francisco, der den in die Jahre gekommenen Punkrocker Curly Watkins, der das alles überlebt hat, am Ende für seine Kundschaft patriotische Lieder singen lässt. Solche Figuren bilden das Personal dieses ziemlich schrägen Romans. Ein verrücktes Stück irgendwo zwischen hartem Noir-Thriller und delirierender Beat-Generation-Poesie von einem begnadeten Erzähler, dessen – glücklicherweise gut übersetzten – Beschreibungen man immer mal wieder gleich noch ein zweites Mal liest. Etwa wenn Curly, der Musiker, dem als bleibende Erinnerung an die wüsten Punkzeiten ein riesiges Krakentattoo auf dem Kopf geblieben ist, eine alte Freundin anschaut:

Ich betrachtete Lavinia von der Seite. Ihr Profil verriet die Jahre mit Heroin – war es so oder war es so? So schlecht sah sie eigentlich gar nicht aus. Ihr Gesicht war leicht aufgedunsen und eines Tages wäre da auch ein Doppelkinn. Aber ihre veilchenblauen Augen hatten einen zarten, wenn auch falschen Wimpernkranz und der hennafarbene Pony, der sich über ihrer markanten Stirn wölbte, besänftigte das grelle Licht des Mittags wie ein kaltes Bier den Kater – nein, besänftigen es wie einen Heiligenschein. Die Madonna des Mohns. Hübsch.

Und auch die Dialoge zwischen Curly und Lavinia haben es in sich:

«Du kannst eine Ratte mit einer Pistole erledigen?»
«Na klar. Aber wenn sie Trägerin des Pestbazillus ist, möchte ich, dass sie am Leben bleibt.»
«Lavinia …»
«Ja, Curly?»
«Ist diese düstere, pessimistische Sichtweise auf die Menschheit und das Schicksal der Erde das, was dich zusätzlich mit Ivy Pruitt verbindet?»
«Das und das Fernsehen. Bis er den Apparat verpfändet hat.»
«Wahrhaftig eine Spirale in die Hölle.»
Sie nickte. «Das Ausmass des Absturzes befreite Ivy von zwei Abhängigkeiten.»
«Von dir und dem Fernsehen?»
«Ja.»
«Die er durch die eine grosse Abhängigkeit ersetzte?»
«So könnte man es sagen.»

Ein konventionell strukturierter Kriminalroman ist von diesem Autor kaum zu erwarten. Ist zunächst Curly Watkins der Ich-Erzähler, so nimmt Nisbet den Leser zwischendurch über einige Dutzend Seiten hinweg mit auf eine schauerliche Geisterbahnfahrt durch das Hirn des Serienkillers.

Er hörte den schweren Atem der Gestalt, die an der Eingangstür lag. Vermutlich eine zertrümmerter Kieferhöhle. Nummer zwei, das Mädchen, würde er unten verstauen. Klang irgendwie nach Seemannsprache. Verstau’n Sie sie unter Deck, Bootsman! Wenn er nur einen Bootsmann hätte. Legen Sie sie in Ketten! Aye, aye, Sir! Machen Sie alles für das Klistier fertig! Wird sofort erledigt, Skipper! (…) Der Bootsmann blieb am Niedergang stehen, seine Faust umschloss den Haarschopf des Mädchens, das wie eine abgeschossene Ente in der Luft baumelte.

Kein Buch für Leser, die Krimis nach dem 08/15-Schema lesen wollen. Aber unbedingt empfehlenswert für alle, die starke Erzähler abseits des literarischen Mainstreams zu schätzen wissen.

Der Autor
Jim Nisbet, *1947 in Schenectady, NY, studierte an der University of North Carolina, bevor er sich in San Francisco niederliess. Er publizierte seit Ende der 1970er-Jahre mehrere Lyrikbände und rund ein Dutzend Romane. «Lethal Injection» (1987) und «Dark Companion» (2004) erschienen auf Deutsch bei Pulp Master als «Tödliche Injektion» (2010) und «Dunkler Gefährte» (2009).

Der letzte Satz
Als ich die Einleitung zum ersten Stück auf der Liste improvisiert hatte, waren die Frauen bereits weitergezogen zu einem anderen Tisch.




08.08.2014

Robert Crais – Gesetz des Todes

(«The First Rule», G. P. Putnam’s Sons, New York, 2010)

Aus dem Amerikanischen von Jürgen Bürger

2014, Heyne, 412 Seiten

***1/2


Der erste Satz
Frank Meyer klappte seinen Computer zu, als die früh einsetzende winterliche Dunkelheit sein Haus in Westwood, Kalifornien, nahe dem Campus der UCLA in Dämmerlicht tauchte.

Das Buch
Erfreulich, dass letztes Jahr die Übersetzung der Bücher von Robert Crais – durch den versierten, kompetenten und stilsicheren Jürgen Bürger – wieder aufgenommen wurde, auch wenn die deutschen Fassungen nun nicht in der Originalreihenfolge kommen. Crais zählt mit seiner Serie um Elvis Cole und Joe Pike zu den wichtigsten Autoren der hartgesottenen Noir-Schule in der Tradition von Hammett, Chandler & Co. «Gesetz des Todes» bedient jedoch nicht das klassische Privatdetektivgenre. Anders als in den frühen Romanen der Serie steht hier nicht Elvis Cole, sondern sein Partner Joe Pike, Ex-Söldner und Mann fürs Grobe, im Vordergrund. Einer «seiner Jungs» aus der Söldnertruppe aus früheren Tagen, der inzwischen längst ein bürgerliches Familien- leben geführt hat, wird mit seiner ganzen Familie und dem Kindermädchen umgebracht. Pike will die Täter finden. Und er will sie finden, bevor sie der Polizei in die Hände fallen. Auch wenn er den alten Kumpel Frank viele Jahre nicht mehr gesehen hat. Daraus entwickelt sich eine knallharte, actionreiche Geschichte. Auch wenn andere Romane der Serie mehr Tiefe haben, sorgen auch hier, wie immer bei Crais, vor allem auch die coolen Dialoge und der trockene Humor für Lesespass.

Der Autor
Robert Crais, *1953 in Independence, Louisiana, studierte Maschinenbau. Mit 23 ging er nach Hollywood, wo er zunächst als Dreh- buchautor fürs Fernsehen arbeitete (unter anderem für Serien wie «Hill Street Blues», «Quincy», «Cagney & Lacey» und «Miami Vice»). 1987 veröffentlichte er seinen ersten Roman «The Monkey’s Raincoat» (auf Deutsch 1989 als «Die gefährlichen Wege des Elvis Cole» bei Bastei-Lübbe). Die Elvis-Cole/Joe-Pike-Serie umfasst inzwischen 15 Romane, 7 davon sind bis 2004 auch auf Deutsch erschienen; 2013 erschien dann «Strasse des Todes» (im Original: «Taken», 2012). Von den vier Nicht-Cole/Pike-Romanen sind zwei auf Deutsch erschienen. Crais’ Werke sind mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden. Er lebt in Santa Monica, Kalifornien.

Der letzte Satz
«Pike. P-I-K-E.»



06.08.2014

Mike Nicol – Black Heart

(«Black Heart», Umuzi, Cape Town, 2011)

Aus dem südafrikanischen Englisch von Mechthild Barth

2014, btb, 479 Seiten

****

Der erste Satz
Schemenhafte Aufnahmen einer Überwachungs- kamera, schwarz-weiss.

Das Buch
Irgendwie läuft alles schief bei Complete Security in Kapstadt. Mace und Pylon, die die Sicherheitsagentur gemeinsam führen holen ein amerikanische Paar – Ureinwohner, die in Südafrika ins Casino-Geschäft einsteigen wollen – am Flughafen ab und fahren sie zu ihrer Unterkunft. Unterwegs erfahren sie beiläufig, dass das Paar massiv bedroht wurde, das aber nicht so ernst nahm.

«Wir kennen das. Man droht uns damit, uns zu skalpieren, und dann passiert nichts.»
«Hier läuft das anders», widersprach Mace. «Wenn man hier so etwas sagt, meint man das meistens so.»
«Wir haben hier nämlich ein Problem namens Ausländerfeindlichkeit», fügte Pylon hinzu. «Haben Sie vielleicht schon in den Nachrichten gehört. Man stranguliert Leute. Verbrennt sie mit Autoreifen um den Hals. Sorgt im Fernsehen für effektvolle Bilder.»
(…)
«Wir verstehen», erklärte Dancing Rabbit, «dass hier Recht und Ordnung herrscht. Es gibt eine Verfassung. Grundrechte. Eine Demokratie.»
«Stimmt, all das gibt es, Madam. Auf dem Papier. In Wirklichkeit bedeutet das aber nicht das Geringste. In Wirklichkeit müssen wir uns um alles selbst kümmern.»

Am Ziel der Fahrt angekommen, kommt es zu einer Schiesserei, die Frau wird entführt. Und schnell kommt es noch schlimmer. Denn die skrupellose Anwältin Sheemina February, die schon Maces Frau ermorden liess (im vorherigen Band der dreiteiligen Reihe), holt jetzt zum finalen Schlag gegen Mace aus.
«Black Heart» ist das Finale der «Rache-Trilogie» des südafrikanischen Autors Mike Nicol nach «Payback» (2008; auf Deutsch unter dem gleichen Titel 2011) und «Killer Country» (2010; auf Deutsch unter dem gleichen Titel 2012).
Wie in den vorangegangenen Folgen baut Nicol auch hier geschickt verschiedene Handlungs- stränge auf, die dann mit der Zeit zusammen- kommen. Actionreiche Handlung, pointierte Dialoge, ein lakonischer Ton und beiläufig allerhand Politisches und Soziales aus der neueren Geschichte Südafrikas machen auch Teil drei zu einem starken Thriller.

Der Autor
Mike Nicol, *1952 in Kapstadt, studierte in Johannesburg und arbeitete als Journalist.  Als Schriftsteller veröffentlichte er 1978 einen Gedichtband, es folgten mehrere Romane und Sachbücher, darunter etwa «A Good-Looking Corpse, The World of Drum – jazz and gangsters, hope and defiance in the townships of South Africa» (1991) und die autorisierte Biografie «Nelson Mandela: the Authorised Portrait» (2006; deutsch: «Mandela: Das Porträt»). In den 1990er-Jahren erschienen drei Romane von Nicol, keine Krimis, bei Rowohlt auf Deutsch. Sein aktuellster Kriminalroman, «Of Cops & Robbers» (2013) ist bei btb auf Deutsch als «Bad Cop» für Februar 2015 angekündigt. Mike Nicol lebt in Kapstadt, wo er an der Universität auch kreatives Schreiben unterrichtet.

Die letzten Sätze
«Ich sag, das mit Ihrem Auto, ag, Mann, das ist, kurz gesagt, aus. Die Karre ist erledigt, finito, hinüber, Mann, ek se. Aus, vorbei. Sie wissen, was ich meine, Mann? Ende der Fahnen- stange.»